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Oldtimerfreund und informiert

Nachdem ich beruflich schon unzählige Verkaufsannoncen ausgewertet habe und auch die betreffenden Fahrzeuge teilweise real angeschaut habe, gibt es eine glasklare Erkenntnis

In Verkaufsanzeigen für Oldtimer wird häufig „nicht so ganz“ mit offenen Karten gespielt. Dass hast Du aber sicherlich schon geahnt.

Daher hat sich offenbar eingebürgert, dass man die nackte Wahrheit mitunter blumig umschreibt oder die Begrifflichkeiten unverbindlich formuliert, um jederzeit noch eine mehr oder weniger große Hintertür zum Rückzug zu haben. Mit der unverfälschten Wahrheit lockt man logischerweise keine potentiellen Käufer. Grobe Falschangaben haben aber rechtliche Folgen. Daher bewegt man sich hier in der rechtlichen Grauzone zwischen seriösen Verkauf und vorsätzlichen Betrug.

Ich versuche hier einmal die gängigsten Floskeln aufzuzählen und gleichzeitig aufzuzeigen, was wirklich dahintersteckt oder was man erwarten kann / sollte.

„Stand lange“ = schwerste Standschäden, wobei er sicherlich nicht ohne Reparaturstau weggestellt wurde. Er war meist vor dem Wegstellen schon Schrott, die Standzeit hat den Rest erledigt. Alle beweglichen Teile sind fest, alle festen Teile lose, Batterie tot, Tank innen verrostet, Karosse knusprig + faul = Totalschaden 

„Aus Sammlung“ = dem Automessie ist es über den Kopf gewachsen. Die Halle wurde gekündigt und der Plunder muss schnell weg.  Der Wagen stand irgendwo jahrelang herum, verstaubt und nicht fahrbereit, Papiere und Schlüssel sind nicht auffindbar. Standschäden fast sicher vorhanden. 

„Scheunenfund“ = sind wir mal ehrlich, wie oft kommt es in Deutschland noch vor, dass jemand ganz unbedarft eine unbekannte Scheune öffnet und, oh  Wunder, dort ein vergessenes Auto findet? Zu mindestens 95 % sind es Autos, die man auch unter der Rubrik „Stand lange“ oder „Aus Sammlung“ finden könnte. Es wäre zumindest ehrlicher. Hier soll das Geheimnisvolle noch mitschwingen und als verkaufsfördernd nützlich sein. Sollte es sich wirklich um einen echten Scheunenfund handeln, was ja sehr selten vorkommt, sind in der Regel die Eigentumsverhältnisse nicht oder unzureichend geklärt. Das Schlüssel und Papiere fehlen ist dann eher die Regel.

„Flugrost“ ist meist die Verharmlosung von starken Rostschäden, hier sollte man mit einer „knusprigen“ Karosse rechnen.

„Patina“ ist fließend von gebrauchtem Zustand bis Schrott. Von  komplett vergammelt und ungepflegt bis zum Schimmel im Innenraum ist hier alles möglich. Ich würde immer vom Schlimmsten ausgehen.

„Kein Rost“ gibt es nicht! (selbst bei Neuwagen, Abstufungen wie Flugrost, Oberflächenrost, Anrostungen, Durchrostungen sind möglich, aber mehr oder weniger Flugrost bekommt der Neuwagen schon auf dem Weg zum Händler) Hier ist das Motto:  Mal sehen, ob Du die übergespachtelten Stellen mit der billigen Verkaufslackierung erkennst. 

„Neu lackiert“ heißt ja nicht automatisch gut lackiert. Hier wurde meist billig übergeduscht, dabei leider auch alle Gummis, Teile des Innenraums und des Motorraums mitlackiert / angenebelt. Vorarbeiten meist schlampig gemacht und nicht mehr nachvollziehbar, was darunter ist.

„Kleinere Lackschäden“ = man kommt um eine Komplettlackierung nicht herum und öffnet mit der Entlackung die Büchse der Pandora. Wenn der Spachtel erst einmal runter ist, sieht man das ganze Elend und möchte am liebsten von der Brücke springen.

nature gc2da4bd8f 1280„Lack ist verwittert“ =  Es befindet sich generell nur noch wenig Lack auf dem Blech, dafür aber umso mehr Rost. Wahrscheinlich schon mehrfach mit Lacken unbekannter Herkunft nachgepfuscht (siehe kleinere Lackschäden).

„Leichter Ölverlust“ = wenn dem Laien schon auffällt, dass das Fahrzeug sein Revier markiert, ist er in der Regel komplett undicht und es steht großer Sanierungsbedarf an.

„Mit viel Liebe zum Detail“ heißt meist, mit wenig Ahnung gnadenlos verbastelt.

„Hat mich 30 Jahre lang nie im Stich gelassen“ = Ich bin 30 Jahre lang gefahren, ohne die geringste Wartung oder jemals zur Reparatur die Hand anzulegen und er läuft trotzdem noch. Jetzt häufen sich die Reparaturen und er muss weg. 

„Verdeck hat ein kleines Loch“ = das Verdeck ist komplett morsch / undicht und muss umgehend ausgetauscht werden. Natürlich sind in das Fahrzeug schon literweise Wasser reingelaufen und haben weitere Schäden verursacht. Schimmel und Rost sind sehr wahrscheinlich.

„Klimaanlage muss befüllt werden“ = natürlich ist mir klar, dass die Klimaanlage defekt ist, deshalb ist sie auch leer. Leider gibt es das passende Klimagas gar nicht mehr. 

„Reifen haben noch gutes Profil“ = Die Reifen sind rissig und steinalt, Lebensgefahr droht. Ich würde damit nicht mehr rum fahren

„Fährt, lenkt, schaltet und bremst“  = mehr aber auch nicht (wenn man einen Esel davor spannt, nennt man das ja auch schon fahren). Der Wagen springt eventuell gerade noch an und fährt auch ein paar Meter, aber über den technischen Zustand sagen wir besser nichts. 

„Teilzerlegt“ = ich habe die Karre auseinandergerissen und dann erst die Riesenbaustelle entdeckt, die meine Fähigkeiten übersteigt. Die Teile muss man in mehreren Garagen und Werkstätten zusammensuchen. Man bekommt das Riesenpuzzle nie wieder zusammen, die Hälfte davon fehlt ohnehin und der Rest ist marode.

„Projekt aus Zeitgründen abgebrochen“ =  Siehe unter „Teilzerlegt“. Zusätzlich drohen die Frau mit Scheidung und die Bank mit Zwangsvollstreckung wegen Unfinanzierbarkeit des Projektes. Die Sachen, die schon bearbeitet wurden, müssen ohnehin noch mal neu gemacht werden, wenn die überhaupt noch zu retten sind, weil die gnadenlos vermurkst sind. 

„Sammlerzustand“ = ich habe hier Gold in der Garage stehen und habe die Realität aus den Augen verloren. In der Regel total überteuert für mäßigen Zustand. 

nature gc2da4bd8f 1280„TÜV sollte kein Problem sein“ = Ich bin nicht durch den TÜV gekommen oder habe es erst gar nicht probiert. Vielleicht schaffst Du es oder kennst einen Prüfer, der alle Augen zudrückt.

„TÜV neu“ = Leider noch kein TÜV, aber vielleicht fahren wir gegen gesalzenen Aufpreis mal hin und schauen was geht, wenn Du vorher den Kaufvertrag ohne TÜV unterschreibst.

„Deutsche Papiere“ = Leider noch keine deutschen Papiere, aber vielleicht besorgen wir welche gegen eine gesalzene Aufwandsentschädigung, wenn Du vorher den Kaufvertrag ohne Papiere unterschreibst. Ob es geklappt hat, siehst du hinterher.

„H-Gutachten möglich“ =  Siehe „TÜV neu“ und „Deutsche Papiere“. Ist nur eine Frage des Preises. 

„H fähig“ = Ich habe kein H-Gutachten bekommen, aber vielleicht versuchst Du es einmal. Die Kiste ist mindestens 30 Jahre alt, ob sie dem Prüfkatalog für H Abnahmen entspricht, ist nicht garantiert. Du kannst ja auf eigene Kosten alles wieder in den Originalzustand bringen, wenn es überhaupt noch möglich ist.

„Scheckheft gepflegt“ = Es gibt irgendwo ein Scheckheft, das vielleicht zum Wagen gehört, aber leider nur bis 1991 ausgefüllt ist. Aber gepflegt ist das Scheckheft, also ohne Flecken oder Eselsohren.

„Braucht noch Liebe“ = hier steht eine Ruine. Bevor das Ding fährt, musst du noch mindestens den vierfachen Kaufpreis an Reparaturkosten reinstecken.

„Werkstattcheck“ = ich habe mir von der Werkstatt sagen lassen, was in näherer Zukunft auf mich zukommt.  Wir haben aber immerhin dafür gesorgt, dass der Wagen zumindest die Probefahrt übersteht.

„Im Kundenauftrag“ = Wir geben keine Garantie oder Gewährleistung und drücken uns vor jeglicher Haftung. Wir haben die Aussagen des Verkäufers nicht auf Wahrheitsgehalt geprüft.

„Garantie vor 30 Jahren abgelaufen“ = Der Wagen ist in einem desolaten Zustand, das wissen wir selber, aber wir wollen deswegen keine nervigen Diskussionen oder Gemecker hören. Finde die Problemstellen selber und lebe damit. Nimm die Karre mit und melde dich nie wieder. Wir haften ohnehin für nichts.

Autor: Kfz – Sachverständiger Bernd Bischoff  

https://www.der-autokaufcoach.de/unser-angebot/oldtimer/ 

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